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19.08.2015 Sechs Kernaussagen von DRK-Präsident Dr. Rudolf Seiters zur DRK Flüchtlingsnothilfe

Zum Thema "Zeltstädte - Unterbringung":

"Wenn es im Herbst kälter wird, muss mit der Unterbringung von Flüchtlingen in Zeltstädten definitiv Schluss sein. Fester und angemessener Wohnraum, schnell errichtbare Modulbauten, winterfeste Wohncontainer und sicherlich keine Zeltunterbringung sind hier gefordert. Aber auch bei den heißen Temperaturen wie wir sie zurzeit haben, darf eine Zeltunterbringung nur in extremen Situationen möglich sein. Die deutschen Behörden müssen deshalb dringend für Wohnungen sorgen. Das ist auch für die Akzeptanz der Flüchtlinge in der Bevölkerung wichtig. Die Situation verschärft sich derzeit von Tag zu Tag. Viele Länder und Kommunen fühlen sich überfordert. Auch für uns als größte humanitäre Hilfsorganisation in Deutschland wird es immer schwieriger, Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Wir stehen da auch in einer Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen. Derzeit betreut das Deutsche Rote Kreuz auf Wunsch von Länder und Kommunen rund 160 Notunterkünfte mit mehr als 30.000 Flüchtlingen. Und jeden Tag werden es mehr."

Zum Thema "Balkan-Flüchtlinge":

"Bei allem Verständnis für Menschen, die aus Not, aus Armut aus wirtschaftlichen Gründen, mit der Hoffnung auf eine bessere Lebensperspektive nach Deutschland kommen, so müssen wir doch sagen: Das Asylrecht will die Menschen schützen, die politisch, religiös verfolgt werden oder die durch Bürgerkriege oder Kriege in unmittelbarer Lebensgefahr schweben. Und wenn wir hier nicht differenzieren, dann werden wir gerade dieser Asyl-Berechtigungsgruppe nicht die Aufmerksamkeit und nicht die Hilfe geben können, die sie benötigt und die sie unbedingt braucht."

Zu den Angriffen auf DRK-Helfer:

"Ich bin entsetzt über Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und Angriffe auf DRK-Helfer wie in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) und Dresden. So etwas darf nicht geduldet werden und ist beschämend für Deutschland. Viele dieser Flüchtlinge haben in ihrer Heimat oder auf der Flucht Schlimmes erlebt und suchen bei uns Schutz. Wir müssen Ihnen helfen. Und wir müssen uns auch darauf einstellen, dass noch mehr Menschen zu uns kommen werden, solange gewaltsame Konflikte wie in Syrien nicht gelöst sind. Trotz aller Probleme bei der Unterbringung ist es wichtig, dass wir uns eines vor Augen führen: Andere Länder sind viel stärker von der größten Flüchtlingsbewegung seit Ende des Zweiten Weltkrieges betroffen als wir. Das kann man gut am Beispiel des Syrien-Konflikts deutlich machen. Allein im Libanon sind über 1,1 Millionen syrische Flüchtlinge registriert, in der Türkei über 1,8 Millionen, in Jordanien 629.000. Trotz zahlreicher Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Angriffe auf DRK-Helfer darf man nicht vergessen, dass es in der deutschen Bevölkerung auch eine große Welle der Hilfsbereitschaft gibt. Viele Menschen melden sich in unseren Unterkünften, um ihre Hilfe anzubieten. Das stimmt mich optimistisch, dass wir diese Herausforderung, die da auch in den nächsten Monaten noch auf uns zukommen wird, meistern werden."

Zum Katastrophen- und Bevölkerungsschutz:

"Vor dem Hintergrund der weltweit steigenden Flüchtlingsströme und der Vielzahl an Krisengebieten müssen wir die bestehenden Konzepte im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz weiterentwickeln. Ziel muss es sein, zukünftig solche humanitären Notlagen, wie wir sie jetzt im Rahmen der Flüchtlingssituation in Deutschland erleben, besser bewältigen zu können. Wir brauchen natürlich Fahrzeuge und Technik, aber auch Infrastruktur und Menschen, die qualifiziert in der Lage sind, oftmals traumatisierte und von teilweise exzessiver Gewalterfahrung belastete Flüchtlinge aufzunehmen, zu betreuen und zu begleiten und diese dann in unsere Gesellschaft zu integrieren. Wir als DRK stehen dafür Bund und Ländern als konstruktiver Gesprächspartner zur Verfügung."

Zum bevorstehenden Flüchtlingsgipfel am 9. September:

"Der Gipfel muss dringend Lösungen für die dramatische Lage bei der Unterbringung von Flüchtlingen bringen. Zunächst gehören Asylbewerber aus sicheren Drittstaaten wie dem Westbalkan in schnelle Verfahren, um Raum zu schaffen für die von Krieg bedrohten Flüchtlinge. Auch wäre es möglicherweise besser, wenn die Länder wegkommen von dezentralen Erstaufnahmestellen und größere zentrale Einrichtungen für die ankommenden Flüchtlinge schaffen, um anerkannte Asylbewerber schneller an die Kommunen weiterzuleiten. Es ist Aufgabe der Politik, hier rasch Lösungen zu finden. Die sind auch bitter notwendig, weil die nach wie vor große Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung vor allem von Kriegsflüchtlingen nicht aufs Spiel gesetzt werden darf."

Zur europäischen Flüchtlingspolitik:

"Es ist zu befürchten, dass solche untragbaren Zustände (wie auf der griechischen Insel Kos) nicht die Ausnahme bleiben werden, wenn wir nicht aufpassen. In einer Welt mit 50 Millionen Flüchtlingen wird es solche humanitäre Notlagen wie derzeit künftig häufiger geben. Der Fall Griechenland wirft dabei leider auch ein trauriges Schlaglicht auf die mangelnde Solidarität zahlreicher EU-Länder gegenüber der Not vieler Flüchtlinge. Das darf so nicht bleiben."

 

 

19. August 2015 09:24 Uhr. Alter: 10 Jahre